Rechtsruck – Ein Angriff auf die Menschlichkeit
“Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen” (Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde).
Wie die Europawahlen gezeigt haben, nimmt der Rechtsruck auch in Deutschland immer weiter zu. Hier geht es nicht nur um rassistische Ideologien, sondern auch um Ableismus (=Behindertenfeindlichkeit) sowie Trans- und Homofeindlichkeit. Kurzum: Es geht um den Ausschluss und die Schwächung von Minderheiten. Das hat Einflüsse auf die Gesellschaft: Erst kürzlich berichtete die Tagesschau über die Häufung queerfeindlicher Angriffe in ganz Deutschland. Durch starke rechte Kräfte werden die Hemmschwellen geringer. Denn wenn sich Intoleranz zur schleichenden Normalität entwickelt, fühlen sich immer mehr Menschen unsicher und eingeschränkt in ihrer Identität.
Schonmal eine Pro- und Contra-Liste fürs Händchenhalten in der Öffentlichkeit erstellt? Wenn du dich selbst als Queer bezeichnest, weißt du ziemlich sicher, worüber wir hier sprechen. Für alle anderen klingt dies zunächst absurd. Denn die Lebensrealität queerer Personen unterscheidet sich von der cis-heterosexueller. Das beginnt bei der Frage, wie die eigene Familie auf diesen Teil der Individualität reagiert, und reicht bis hin zum ständigen Abwägen, wo man sich offen als Queer zeigen kann und wo man dies – aus Angst vor Anfeindungen und Übergriffen – besser versteckt. Beim Händchenhalten handelt es sich natürlich nur um ein Beispiel von vielen.
Inwiefern unterstützt das deutsche Gesetz LGBTQ+? Während die Ehe für alle und das Selbstbestimmungsgesetz (ab August 2024) für Fortschritt und eine inklusivere Gesellschaft stehen, gibt es allerdings auch einige Lücken. Die wohl größte davon finden wir in Artikel 3, Abs. 3. Denn das Grundgesetz, welches als Antwort auf das Schreckensregime des Nationalsozialismus entworfen wurde, soll sicher stellen, dass sich die damaligen Zustände niemals wiederholen. Allerdings fehlt die LGBTQ+-Community dort als Opfergruppe der NS-Zeit. Kritiker/innen sehen dadurch beispielsweise bereits erkämpfte LGBTQ+-Rechte in Gefahr.
Zusammengefasst bleibt nicht zuletzt auf Grund aktueller Entwicklungen, aber auch im Hinblick auf die gesellschaftlichen Hürden, denen sich LGBTQ+ jeher stellen müssen, folgendes zu sagen: Es reicht nicht mehr aus, sich im stillen Kämmerlein als tolerante Person zu bezeichnen. Wir müssen ALLE offen und laut für Vielfalt und gegen jegliche Form der Diskriminierung einstehen.